2025 Hans Peylo

GESCHICHTEN

PERDRIX…TURM des REBHUHNS
Eine Geschichte von Martin Meinhardt inspiriert von Realität und Fantasie

Es gibt wohl keinen zweite Leuchtturm wie diesen in Frankreich an der Atlantikküste. Kein anderer Turm weist so ein markantes Schachbrettmuster auf wie „Le Perdrix“. Er steht als ein einfaches Leuchtfeuer in der Hafeneinfahrt vom bretronischen Küstenort Loctudy. Im Jahr 1889 wurde zunächst ein Mast mit einem Feuer als Wegweiser zum schützenden Hafen für die Fischerboote fertiggestellt. Es war bis 1918 in Betrieb. Dann erst wurde der Leuchtturm als Bauwerk in Betrieb genommen. Er sollte seitdem den Weg zum Hafen weisen. Sein heutiges markantes Äußeres in Form eines Schachbrettmusters in Schwarz, Rot und Weiß bekam er 1947. Damit wurde er in seinem Design einzigartig für die Leuchttürme der Bretagne. Mit einer Höhe von nur 18 Metern gehört er aber zu den kleinsten Türmen.

Warum aber der eigenwillige Anstrich, fragte sich die Journalistin Marie Durand? Seitdem sie zu den Leuchttürmen der Bretagne recherchierte, hatte sie ähnliches noch nie gesehen. Es soll wohl mit den Fischern der Küste zu tun haben. Denn diese hatten beobachtet, dass man nachts im Dunkeln keine Farben mehr sehen kann. Man müsse aber schließlich sicher in den Hafen ein- und auch ausfahren können. Und der Kontrast zwischen Schwarz und Weiß wäre halt einfach besser für die Seeleute als der zwischen Rot und Weiß, die sonst übliche Farbkombination. Daher wurden die ursprünglich roten Farbelemente des Leuchtturmes zur Seeseite hin mit der Farbe Schwarz überstrichen. So entstand das Schachbrettmuster.

Aber wie kamen die Bretonen darauf, einen sehr bekannten Leuchtturm mit der Bezeichnung „Turm des Rebhuhns“ zu versehen? Eine weitere Frage für Marie Durand. Man hätte ihn auch treffender aufgrund der äußeren Erscheinung einfach „Der Schachbrettturm“ nennen können. Passender wäre diese Bezeichnung jedenfalls gewesen, so ihre eigene Meinung. Aber das konnte Marie als moderne Journalistin natürlich nicht entscheiden. Sie recherchierte weiter und wurde fündig.

Demnach soll ein griechischer Mythos hinter dem Namen des Leuchtturmes stecken: Die Sage von Perdix. Was ja auch bei dem Namen des Leuchtturmes „ Perdrix“ recht nahe liegt. Die beiden Namen dürften irgendwie miteinander verwandt sein. Das würde nicht weiter überraschen. Doch worum ging es in der griechischen Legende von Perdix eigentlich? Wer war Perdix? Marie ließ das Geschehen von dem, was sie herausgefunden hatte, vor ihrem geistigen Auge abrollen.

Perdix ein Erfinder. Er ist mal wieder bei seinem genialen Onkel Daidalos, ebenso ein Erfinder. Wie so oft tüftelt dieser über seine neuesten Erfindungen Stunden, wenn nicht sogar Tage oder Wochen nach. Sein Neffe erfindet währenddessen mal eben die Säge und den Zirkel. Und das in kürzester Zeit. Daidalos war über die Genialität seines Neffen Perdix so erbost und neidisch, dass er ihn auf das Dach der Akropolis zerrte und von dort in den sicher geglaubten Tod stürzte. Dann ging von dannen und plante seinen neuesten Clou. Die Flügel für seinen Sohn Ikarus. Hätte Daidalos gewusst, dass sich zur gleichen Zeit die Göttin Athene dort aufhielt, hätte er sich wahrscheinlich anders entschieden. So kam es aber, dass Athene Perdix, um ihn bei seinem Todessturz zu retten, in ein Rebhuhn verwandelte. Mehr viel ihr in der kurzen Zeit wohl nicht ein. Aber der göttliche Zauber wirkte und Perdix überstand den Anschlag auf sein Leben unbeschadet. Diadalos unterdessen floh aus der Stadt mit seinem Sohn Ikarus und setzte seine Idee, Flügel für ihn zu erfinden in die Tat um. Wie dieses Abenteuer für seinen Sohn Ikarus endete, dürfte hinlänglich bekannt sein. Ende der Legende. Ikarus ist kläglich gescheitert, doch der Leuchtturm, dessen Name auf den Erfinder Perdix wohl zurückgeht, steht immer noch.

Und das Rebhuhn, Namensgeber des Leuchtturmes, übersteht solche Dramen mit stoischer Ruhe. So sieht es wohl aus. Aber warum? Weil es zwar Flattern kann, aber eben nicht wie Ikarus fliegen will. Das Rebhuhn ist halt bodenständig. Es zeichnet sich durch Beharrlichkeit aus. Hat es einmal ein Revier gefunden, ist das immer ihr Revier. Nicht weiter aufsteigen in den Himmel, um einem Gott gleichzukommen. Nein, einfach nur bei seiner Natur und den Tatsachen bleiben. Halt am Boden. Und diese Erkenntnis hat sich wohl als lebensverlängernd herausgestellt. Für den Helden der Geschichte Perdix, aber auch für den Leuchtturm Perdrix.

Halt, nicht ganz korrekt. Denn der eigentliche Held der Geschichte ist und bleibt das Rebhuhn. Auch, wenn es davon wahrscheinlich gar nichts weiß. Egal, sinnierte Marie Durand. Hauptsache der Leuchtturm steht immer noch da. Und darauf kommt es doch an. Schließlich ist „Le Phare de Perdrix“ ihr Thema.