2025 Hans Peylo

GESCHICHTEN

KÉRÉON….PALAST der UNTERWELT
Eine Geschichte von Martin Meinhardt inspiriert von Realität und Fantasie

Charles-Marie Le Dall de Kéréon, 19 Jahre alt, Fähnrich eines königlichen Schiffes und angeklagt wegen Verschwörung, starb 1794 unter der Guillotine. Einhundert Jahre später bot Amicie Lebaudy 580.000 Francs für den Bau eines Leuchtturms zwischen Molène und Ouessant an, unter der Bedingung, dass er den Namen Kéréon tragen sollte. Sie war eine direkte Nachfahrin des Geköpften.

Marie Durand, Journalistin aus Roubaix, wurde neugierig. Diese tragische Geschichte kannte sie noch nicht. Sie schrieb gerade einen Artikel über Amicie Lebaudy. Eine hochinteressante Frau mit sehr viel Geld. Das stammte alles aus einer Erbschaft. Zu einer Zeit also, als Frauen noch kein eigenes Geld verdienen konnten. Madame Lebaudy unterstützte zahlreiche Projekte. Sie galt als Wohltäterin. Das war jetzt alles nicht mehr so wichtig, denn die Journalistin interessierte sich nun ausschließlich für den Leuchtturm Kéréon. Darüber wollte sie noch mehr recherchieren. Ein Leuchtturm nicht nur mit Geschichte, sondern auch mit einer Legende.

Man erzählte sich, hier solle der Geist eines alten Fischers hausen. Und dieser sei bei einer stürmischen Nacht mit seinem Boot an dem Felsen, auf dem der Leuchtturm errichtet wurde, gestrandet Danach fehle jede Spur von dem Fischer. Seitdem soll er hier öfters gesehen worden sein. Als Geist. Immer wenn es stürmt. So lauteten auch die Berichte der ehemaligen Leuchtturmwärter. Marie Durand hatte sich in die Historie des Leuchtturmes immer weiter eingelesen. Und was sie da fand, gefiel ihr als Journalistin. Das sah nach einer guten Exklusivstory aus.

Folgendes stellte sich bei ihren Recherchen heraus: Der Großteil der Spende von Amicie Lebaudy wurde für die aufwendige Ausstattung der Inneneinrichtung verwendet. Für die Möbel des Wohnbereiches wurden ausschließlich Tropenhölzer wie Mahagoni und Teak verwendet. Der Boden bestand aus einem Parkett aus ungarischer Eiche. Ebenso die aufwendige Wandvertäfelung. Alles Importhölzer, die damals ein kleines Vermögen gekostet haben müssen. Vielleicht hat dieser Prunk zu dem Namen "Palast der Unterwelt" geführt. Aber warum, fragte sie sich? Der Aufenthaltsraum des Leuchtturmwärters wirkte wie ein Wohnzimmer. Er hatte eine Besonderheit im Mittelpunkt. Ein stilisiertes Sternensymbol, offenbar die Darstellung einer Windrose, schmückte als Intarsien Arbeit den Boden. Acht leicht gezackte schwarze Strahlen, die sich in einem abgegrenzten Kreis vom ansonsten hellen Eichenparket deutlich abzeichnen. Aber Warum? Was sollte das Sternensymbol im Boden bedeuten?

Marie Durand forschte weiter und wurde fündig. In der bretonischen Mythologie steht das sternenförmige Symbol für den Zugang zu Gottheiten und vergessenen Seelen. Ging es letzten Endes nur darum, um mit Toten in Verbindung zu treten? Der Phare de Kéréon war der letzte Leuchtturm, der in der Bretagne errichtet wurde und auch der luxuriöseste. Und zu der Zeit waren gerade in der High-Society sogenannte Zirkel ziemlich populär, in denen es darum ging, mit Toten in Verbindung zu treten. War es das, was sich hier rund um das Sternensymbol in der Zeit um die Jahrhundertwende zugetragen hatte? Séancen unter der Führung eines Mediums, das den Zugang zu den vergessenen Seelen herstellten sollte? Wie gesagt: Das alles würde sehr gut zu der Zeit der Erbauung des Leuchtturms, zu den Umständen, wie der Bau finanziert wurde, und zu der wertvollen Ausstattung passen. Und die Legende vom einsamen Geist des verschollenen Fischers. So wäre auch sein Beiname „Palast zur Unterwelt“ plausibel nachvollziehbar.

Mal angenommen, dass es sich so zugetragen haben könnte. Die Familie des armen Fischers schied dabei von vorneherein aus. Seine Nachfahren stiegen bestimmt nicht in die feinen Kreise der Reichen auf, um an solchen Séancen teilnehmen zu können. Blieb also nur noch Amacie Lebaudy übrig, die vielleicht ein deutliches Interesse daran hatte, solche Sitzungen abzuhalten. Denn die anderen Teilnehmer dürften keine direkte Beziehung zu dem Leuchtturm gehabt haben. Für sie war es vielmehr Zeitvertreib. Mit einem gewissen Gruselfaktor. Für die Mäzenin des Leuchtturms ging es dabei wahrscheinlich einzig und allein um Charles-Marie Le Dall de Kéréon, ihrem 1794 geköpften Urenkel. Ihr musste der Vorfahre sehr wichtig gewesen sein. Warum trug der Turm sonst wohl dessen Namen? Das war ja auch die Hauptbedingung für ihre große Spende gewesen.

Ob daraus jemals irgendetwas geworden ist, mit den vergessenen Seelen in Kontakt zu treten, ist nicht überliefert. Denkbar wäre es. Bleibt aber reine Spekulation. Immerhin: Die Legende vom einsamen Geist des Fischers, dessen Boot bei einem Sturm auf den Felsen zerschellte, bleibt. Seine Seele soll immer noch dort hausen. Vielleicht hat sich die Seele von Charles-Marie Le Dall de Kéréon mittlerweile dazugesellt.

KÉRÉON….PALAST der UNTERWELT
Eine Geschichte von Martin Meinhardt inspiriert von Realität und Fantasie
Charles-Marie Le Dall de Kéréon, 19 Jahre alt, Fähnrich eines königlichen Schiffes und angeklagt wegen Verschwörung, starb 1794 unter der Guillotine. Einhundert Jahre später bot Amicie Lebaudy 580.000 Francs für den Bau eines Leuchtturms zwischen Molène und Ouessant an, unter der Bedingung, dass er den Namen Kéréon tragen sollte. Sie war eine direkte Nachfahrin des Geköpften. Marie Durand, Journalistin aus Roubaix, wurde neugierig. Diese tragische Geschichte kannte sie noch nicht. Sie schrieb gerade einen Artikel über Amicie Lebaudy. Eine hochinteressante Frau mit sehr viel Geld. Das stammte alles aus einer Erbschaft. Zu einer Zeit also, als Frauen noch kein eigenes Geld verdienen konnten. Madame Lebaudy unterstützte zahlreiche Projekte. Sie galt als Wohltäterin. Das war jetzt alles nicht mehr so wichtig, denn die Journalistin interessierte sich nun ausschließlich für den Leuchtturm Kéréon. Darüber wollte sie noch mehr recherchieren. Ein Leuchtturm nicht nur mit Geschichte, sondern auch mit einer Legende. Man erzählte sich, hier solle der Geist eines alten Fischers hausen. Und dieser sei bei einer stürmischen Nacht mit seinem Boot an dem Felsen, auf dem der Leuchtturm errichtet wurde, gestrandet Danach fehle jede Spur von dem Fischer. Seitdem soll er hier öfters gesehen worden sein. Als Geist. Immer wenn es stürmt. So lauteten auch die Berichte der ehemaligen Leuchtturmwärter. Marie Durand hatte sich in die Historie des Leuchtturmes immer weiter eingelesen. Und was sie da fand, gefiel ihr als Journalistin. Das sah nach einer guten Exklusivstory aus. Folgendes stellte sich bei ihren Recherchen heraus: Der Großteil der Spende von Amicie Lebaudy wurde für die aufwendige Ausstattung der Inneneinrichtung verwendet. Für die Möbel des Wohnbereiches wurden ausschließlich Tropenhölzer wie Mahagoni und Teak verwendet. Der Boden bestand aus einem Parkett aus ungarischer Eiche. Ebenso die aufwendige Wandvertäfelung. Alles Importhölzer, die damals ein kleines Vermögen gekostet haben müssen. Vielleicht hat dieser Prunk zu dem Namen "Palast der Unterwelt" geführt. Aber warum, fragte sie sich? Der Aufenthaltsraum des Leuchtturmwärters wirkte wie ein Wohnzimmer. Er hatte eine Besonderheit im Mittelpunkt. Ein stilisiertes Sternensymbol, offenbar die Darstellung einer Windrose, schmückte als Intarsien Arbeit den Boden. Acht leicht gezackte schwarze Strahlen, die sich in einem abgegrenzten Kreis vom ansonsten hellen Eichenparket deutlich abzeichnen. Aber Warum? Was sollte das Sternensymbol im Boden bedeuten? Marie Durand forschte weiter und wurde fündig. In der bretonischen Mythologie steht das sternenförmige Symbol für den Zugang zu Gottheiten und vergessenen Seelen. Ging es letzten Endes nur darum, um mit Toten in Verbindung zu treten? Der Phare de Kéréon war der letzte Leuchtturm, der in der Bretagne errichtet wurde und auch der luxuriöseste. Und zu der Zeit waren gerade in der High-Society sogenannte Zirkel ziemlich populär, in denen es darum ging, mit Toten in Verbindung zu treten. War es das, was sich hier rund um das Sternensymbol in der Zeit um die Jahrhundertwende zugetragen hatte? Séancen unter der Führung eines Mediums, das den Zugang zu den vergessenen Seelen herstellten sollte? Wie gesagt: Das alles würde sehr gut zu der Zeit der Erbauung des Leuchtturms, zu den Umständen, wie der Bau finanziert wurde, und zu der wertvollen Ausstattung passen. Und die Legende vom einsamen Geist des verschollenen Fischers. So wäre auch sein Beiname „Palast zur Unterwelt“ plausibel nachvollziehbar. Mal angenommen, dass es sich so zugetragen haben könnte. Die Familie des armen Fischers schied dabei von vorneherein aus. Seine Nachfahren stiegen bestimmt nicht in die feinen Kreise der Reichen auf, um an solchen Séancen teilnehmen zu können. Blieb also nur noch Amacie Lebaudy übrig, die vielleicht ein deutliches Interesse daran hatte, solche Sitzungen abzuhalten. Denn die anderen Teilnehmer dürften keine direkte Beziehung zu dem Leuchtturm gehabt haben. Für sie war es vielmehr Zeitvertreib. Mit einem gewissen Gruselfaktor. Für die Mäzenin des Leuchtturms ging es dabei wahrscheinlich einzig und allein um Charles-Marie Le Dall de Kéréon, ihrem 1794 geköpften Urenkel. Ihr musste der Vorfahre sehr wichtig gewesen sein. Warum trug der Turm sonst wohl dessen Namen? Das war ja auch die Hauptbedingung für ihre große Spende gewesen. Ob daraus jemals irgendetwas geworden ist, mit den vergessenen Seelen in Kontakt zu treten, ist nicht überliefert. Denkbar wäre es. Bleibt aber reine Spekulation. Immerhin: Die Legende vom einsamen Geist des Fischers, dessen Boot bei einem Sturm auf den Felsen zerschellte, bleibt. Seine Seele soll immer noch dort hausen. Vielleicht hat sich die Seele von Charles-Marie Le Dall de Kéréon mittlerweile dazugesellt.